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März 08
Strienie ist blöd
In der FAZ war letztlich die Todesanzeige abgedruckt:



Und die FR schrieb kurz:

"Strienis" letzter Auftritt
Eva-Maria Strien ist mit 88 Jahren gestorben

Eva-Maria Strien war eine Schauspielerin, die man so schnell nicht vergisst, obwohl sie oft nur kleine Rollen spielte. Von 1972 bis 1996 gehörte sie zum Ensemble des Schauspiel Frankfurt, war danach aber noch weiter als Gast zu sehen. Besonders eingeprägt haben sich ihre Rollen bei Einar Schleef Ende der 80er Jahre, später aber auch ihre Auftritte im Schülerclub von Alexander Brill.
1919 in Kiel geboren, hatte Eva-Maria Strien nach 1945 an vielen Theatern gearbeitet. Zu ihren Regisseuren gehörten Hans Neuenfels, Peter Zadek, Luc Bondy und Peter Palitzsch, mit dem sie nach Frankfurt kam, in die wildbewegte Epoche des Mitbestimmungsmodells. Viel hat sie erlebt, blickte aber auch im Alter stets auf die Gegenwart: "Man darf nicht auf die verklärten Zeiten zurückblicken, man muss mit den jungen Leuten weitermachen." Gerade für die Jungen war sie eine wertvolle Kollegin, "Strieni" wurde sie von ihnen genannt.
Zu ihren letzten Auftritten gehörte Schleefs "Totentrompeten", sie sprach die vertrackten Texte heiter, verschmitzt, fast kindlich. Und in der eher verkorksten "Faust 2"-Inszenierung von 1999 gab sie in einer kurzen Szene eine bewegende, leise Baucis. So bleibt sie in Erinnerung. Jetzt ist Eva-Maria Strien im Alter von 88 Jahren gestorben. WR


Ich lernte Strienie kennen, als ich 1988 am Schauspiel Frankfurt bei Heigls Inszenierung VOR DEM RUHESTAND assistierte. Nach den Proben ging es immer mit Strienie Champagner trinken - im alten Fundus-Theaterrestaurant oder gleich im Frankfurter Hof. Zuweilen wollte sie partout in die Kinderabteilung vom Kaufhof an der Hauptwache, um sich dorten auf das riesigste Steiff-Tier zu setzen, was da war: Giraffe! Zuerst sah ich sie in Schleefs SCHAUSPIELER als Schauspielerin, die die Vorhänge, Verbeugungen, vollführte, die sie erhalten hatte, gefühlte Hundert und jede genoss und feierte sie. Nach dieser Vorstellung nahm Inge Engelmann mich mit in die Kantine und stellte mir ihre Freundin Strienie vor. Dann sahen wir uns öfter und sie erklärte mir das Theater. Irgendwann gingen wir spazieren und sie erzählte von einem Gastspiel, das sie gerade hinter sich hatte und davon, dass sie sich im Flugzeug vorgestellt hatte, wie schön es doch wohl wäre, wenn wir alle zusammen, auch ich und Inge und die Jungs und Mädels von Billy Forsythes Ballett-Kompagnie, bei denen sie täglich das Morgentraining mit absolvierte, wenn wir alle zusammen abstürzen und gemeinsam sterben würden - dann müsste keiner allein bleiben und keiner trauern. Zuletzt traf ich sie an einem heissen Sommernachmittag auf dem Hof hinter ihrem Haus, wo sie ihre Schildkröte an Halsband und Leine ausführte und sie sagte, dass sie nach Kiel zu ihrem Zwillingsbruder ziehen würde, und nicht wisse, ob sie ihre Schildkröte - wie hiess die nochmal? - mitnehmen könne, ihr Bruder sei doch so blöd. Ich höre noch den spasshaften Klang ihrer Stimme, den Singsang ihrer immer norddeutsch-melodisch, zuweilen kindisch-kindlichen Sprache.
Wer tot ist, ist auch blöd.



Eva Maria Strien (1919-2008)
als "Clara" in Thomas Bernhard VOR DEM RUHESTAND, 25. Juni 1988, Insz. Alois Michael Heigl, Schauspiel Frankfurt
Foto: Inge Rambow


über
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